Energiehomöostase: Gene und Umwelt
Energiehomöostase ist ein lebenswichtiger regulatorischer Prozess, der Tieren wie Menschen die Aufrechterhaltung eines konstanten Stoffwechsels ermöglicht. Die Verfügbarkeit und Zusammensetzung von Nahrung sind ebenso ständigen Schwankungen unterworfen, wie der Energieverbrauch des Organismus, sei es durch wechselnde Umweltbedingungen oder durch Verhaltensänderungen. Überwiegt das Energieangebot den Verbrauch, werden Speicherstoffe eingelagert. In Phasen negativer Energiebilanz hingegen, wird ein konstantes inneres Energieniveau durch die Mobilisierung dieser Energiespeicherstoffe sichergestellt, allen voran von Körperfett.
Wie aber bewerkstelligt der Organismus das Einlagern von Speicherfett und dessen bedarfsabhängige Mobilisierung? Wie nimmt der Körper Änderungen von Umweltbedingungen wahr und wie passt er sich ihnen an? Wie kommunizieren die Körperorgane den Energiestatus innerhalb des Organismus? Woher kennt der Organismus den Sollwert des Körperfettspeichers?
Eine Beantwortung dieser Fragen setzt das Verstehen der genetischen Architektur der Energiehomöostase und deren Interaktion mit Umwelteinflüssen voraus. Daher verwendet unsere Arbeitsgruppe mit der Taufliege Drosophila melanogaster, einen genetisch hervorragend zugänglichen Modellorganismus.
„Magere“ und „fette“ Drosophila-Fliegen
Drosophila speichert Fette in Form von sog. Lipidtröpfchen innerhalb spezialisierter Zellen eines Fettkörper genannten Speicherorgans. Ebenso wie in Säugetieren variiert auch in Drosophila die Menge der im Fettkörper gespeicherten Lipide stark in Abhängigkeit von der genetischen Konstitution und den gegebenen Umweltbedingungen, woraus „magere" oder „fette" Fliegen resultieren.
Wir nutzen diese „mageren“ und „fetten“ Fliegen, um mittels eines breiten Methodenspektrums, das von der Molekularbiologie bis zu Verhaltensstudien und Lipidomics reicht, regulatorische Gene des Fettstoffwechsels zu identifizieren und funktionell zu charakterisieren.
Fettstoffwechsel nahe dem Gefrierpunkt: Das Gletscherinsekt Andiperla morenensis
Evolutionäre Anpassung an extreme Lebensbedingungen ermöglicht die Besetzung von neuen ökologischen Nischen. Ein faszinierendes Beispiel dafür ist die Steinfliege Andiperla morenenis, das einzige Insekt, das sein gesamtes Leben auf den Gletschern des südpatagonischen Eisfeldes verbringt. Da Andiperla wie alle Insekten seine Körpertemperatur nicht aktiv regulieren kann, erfordert das Leben nahe dem Gefrierpunkt weitrechende Anpassungen des Speicherfett- und Membranlipid-Stoffwechsels, die im Rahmen eines internationalen Kooperationsprojektes von uns erforscht werden.
Unsere Drosophila-Forschung klärt grundlegende Prinzipien des organismischen Fettstoffwechsels auf, der maßgeblich zur Energiehomöostase beiträgt. Wie unsere Forschung zeigen konnte, sind die Prinzipien der Energiehomöostase evolutionär bemerkenswert konserviert. Daher sind die an der Fliege und anderen Insekten gewonnenen Erkenntnisse relevant für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie z.B. menschliche Fettstoffwechselerkrankungen (v.a. Adipositas) oder die Ausbreitung von Schadinsekten bzw. den Verlust der Biodiversität unter den Bedingungen des Klimawandels.